Zeiten des Umbruchs 1989/90

Eine fotografische Intervention in der Gedenkstätte Lindenstraße

Am 3. Dezember 2019 hat die Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße eine neue Ausstellung eröffnet: Die Friedliche Revolution erfasste auch das Gefängnis in der Potsdamer Lindenstraße. Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR entließ im Herbst 1989 die letzten politischen Häftlinge. Kurze Zeit später schloss die Stasi das Gefängnis für immer. Zum Jahresbeginn 1990 stellte die Stadt Potsdam den nun ungenutzten Gebäudekomplex mehreren Bürgerinitiativen und demokratischen Parteien zur Verfügung. So bezogen unter anderem das Neue Forum und ARGUS (Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung) die Büroräume im Gebäudekomplex und öffneten das ehemalige Gefängnis als »Haus für alle«: Von nun an konnte jeder das Haus besichtigen und sich eine Vorstellung machen von dem, was sich dort hinter der barocken Stadtpalais-Fassade abgespielt hatte.

Fotos: Bernd Blumrich

Von Anfang an war das Interesse der Potsdamer Bevölkerung am ehemaligen Gefängnis in der Lindenstraße, im Volksmund »Lindenhotel« genannt, groß: Als sich am 20. Januar 1990 die Tore zum ersten Mal zu einem Tag der offenen Tür öffneten, bildete sich eine lange Menschenschlange vor dem ehemaligen Stasi-Gefängnis. Trotz Renovierungsarbeiten kurz vor dem Auszug der Stasi vermittelte der Ort den Menschen einen direkten Eindruck der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt. Einige der Räume wirkten wie eben erst verlassen: In den Schränken und auf den Tischen stapelten sich Gegenstände aus der Gefängniszeit.

In dieser Umbruchszeit besuchte der Kleinmachnower Fotograf Bernd Blumrich das ehemalige Gefängnis und dokumentierte die nahezu unveränderten Räume mit seiner Kamera. Diese Fotos stellen heute eine wichtige historische Quelle dar, die Auskunft über Einrichtung und Ausstattung des ehemaligen Haftortes gibt. Zugleich gelang es Bernd Blumrich mit seinem fotografischen Gespür, auch charakteristische Szenen der Umbruchszeit festzuhalten. So zeigen seine Bilder unter anderem Stapel mit leeren Aktenordnern oder die Gesichter derjenigen, die das ehemalige Gefängnis in der Lindenstraße 54/55 besichtigten.

Ausstellungseröffnung mit Oberbürgermeister Mike Schubert und Ministerin Dr. Manja Schüle.

 

Die Gedenkstätte Lindenstraße nimmt zum 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution die Besucherinnen und Besucher mit auf eine fotografische Spurensuche in diese bewegende Zeit. Insgesamt 15 Fotografien von Bernd Blumrich werden in der Gedenkstätte an den Orten gezeigt, wo der Fotograf sie Anfang 1990 aufgenommen hat. Diese Präsentationsform am Originalschauplatz ermöglicht einen direkten Vergleich von Gegenwart und Vergangenheit. Die Bilder geben den Betrachtenden Auskunft über die ursprünglichen Funktionen der jeweiligen Räume, aber auch über die seit 1989/90 vorgenommenen Veränderungen. Die fotografische Intervention lädt somit zu einem neuen Blick auf die Gedenkstätte und die Umbruchszeit 1989/90 ein.

Die Ausstellung ist bis zum 3. Oktober 2020 zu sehen.