1945-1952: Untersuchungsgefängnis des sowjetischen Geheimdienstes (NKWD/MGB)

Im Frühjahr 1945 beendeten die alliierten Truppen den Zweiten Weltkrieg in Europa und befreiten Deutschland vom Nationalsozialismus. Großbritannien, die USA und Frankreich besetzten die westlichen Teile der heutigen Bundesrepublik Deutschland, die Sowjetunion die Gebiete zwischen Elbe und Oder. Die letzten politischen Häftlinge in der Lindenstraße wurden im April 1945 von Truppen der Roten Armee befreit.

Im Zuge der Potsdamer Konferenz, die vom 17. Juli bis 2. August 1945 im Schloss Cecilienhof tagte, beschlagnahmte die sowjetische Militäradministration das gesamte Gerichts- und Gefängnisareal in der Lindenstraße. Von 1945 bis 1952 nutzte der sowjetische Geheimdienst (NKWD/MGB) die Lindenstraße 54/55 als zentrales Untersuchungsgefängnis für das Land Brandenburg. Im Saal fanden die Verhandlungen der sowjetischen Militärtribunale (SMT) statt. Die Verfolgungsorgane – der sowjetische Geheimdienst NKWD/MGB, der ostdeutsche Geheimdienst MfS und Polizeikräfte – arbeiteten Hand in Hand. Ein ganzes Netz von Haftorten entstand: Neben dem Untersuchungsgefängnis Lindenstraße, dem Gefängnis der sowjetischen Spionageabwehr SMERSch in der Leistikowstraße und dem Potsdamer Polizeigefängnis wurden auch Keller von beschlagnahmten Häusern als Gefängnisse benutzt.

Wurden 1945 und 1946 vor allem ehemalige Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher verfolgt, gerieten ab 1947 auch Oppositionelle ins Visier der sowjetischen Besatzungsmacht.

Es galt das Strafrecht der Sowjetunion, das auf deutsche Staatsbürger angewendet wurde. Die Haftbedingungen entsprachen denen in der stalinistischen Sowjetunion: Die Zellen waren in der Regel überbelegt, die Zellenfenster mit Holz verblendet, es brannte ununterbrochen Licht. Es gab keine medizinische Versorgung und keinen Zugang zu sanitären Anlagen, die Kleidung konnte nicht gewechselt werden. Die Lebensmittelversorgung war mangelhaft.

Die Verhöre fanden meistens nachts statt. Die Militärtribunale (SMT) verurteilten zahlreiche Angeklagte zu 20 oder 25 Jahre Arbeitslager. Nach der Urteilsverkündigung wurden die Betroffenen in »Speziallager« auf deutschem Territorium (wie Sachsenhausen) oder in GULag-Straflager in der Sowjetunion (wie Workuta) verbracht. Gleichzeitig wurden zahlreiche Todesurteile gefällt. In der Lindenstraße wurden zwischen 1950 und 1952 über einhundert Menschen zum Tode verurteilt. Sie wurden nach Moskau verschleppt und dort im Butyrka-Gefängnis hingerichtet. Ihre Asche wurde auf dem Donskoje Friedhof verscharrt. Die Familien erhielten keine Nachricht über den Verbleib ihrer Angehörigen, viele warteten vergeblich auf die Rückkehr der Verschwundenen.