«…denen mitzuwirken versagt war.» Ostdeutsche Demokraten in der frühen Nachkriegszeit

Eine Ausstellung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Frank-Walter Steinmeier.

Die von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur konzipierte Plakatausstellung „… denen mitzuwirken versagt war.“ Ostdeutsche Demokraten in der frühen Nachkriegszeit ist vom 25. April bis 18. August 2024 in der Gedenkstätte Lindenstraße zu sehen.

Anlässlich des 75. Jahrestages der feierlichen Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 2024 und der doppelten deutschen Staatsgründung 1949 erinnert die Schau an mutige Menschen, die sich nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) furchtlos für Freiheit und Demokratie einsetzten. Sie traten für die gleichen Grundrechte ein, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum Fundament unserer heutigen Demokratie wurden. Aber für ihr freiheitliches Engagement wurden sie von den kommunistischen Machthabern unbarmherzig verfolgt und unterdrückt. Einige von ihnen waren im Gefängnis Lindenstraße inhaftiert. Der Haft- und Justizort in der Lindenstraße 54/55 diente ab Juli 1945 als zentrales Untersuchungsgefängnis des sowjetischen Geheimdienstes MGB/NKWD zunächst für die gesamte Sowjetische Besatzungszone und später für das Land  Brandenburg.

Gefängnis Lindenstraße im Oktober 1949 © Potsdam Museum, Foto Gerhard Hillmer

Gefängnis Lindenstraße im Oktober 1949 © Potsdam Museum, Foto Gerhard Hillmer

Die Ausstellung porträtiert ausgewählte Männer und Frauen, die sich in der Sowjetischen Besatzungszone für demokratische Grund- und Freiheitsrechte einsetzten und aufgrund ihres Engagements vom sowjetischen Geheimdienst verfolgt, verhaftet und zu hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe verurteilt wurden.

Zu den Personen, die in der Lindenstraße inhaftiert und von einem Sowjetischen Militärtribunal verurteilt wurde, gehört die Schriftstellerin Edeltraud Eckert. Sie verteilte in Rathenow Flugblätter mit der Forderung „Für Freiheit und Demokratie“ und wurde im Mai 1950 vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet, in der Lindenstraße inhaftiert und bereits im Juli 1950 von einem Sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Haft verurteilt. Sie starb 1955 in Haft an den Folgen eines Arbeitsunfalls. Ihre Haftzeit verarbeitete sie in 101 Gedichten, von denen 2005 eine Auswahl publiziert wurde.

Die Ausstellung führt die Besuchenden in den historischen Kontext der damaligen Zeit ein, in die Entstehung des Grundgesetzes und seiner Grundrechte sowie die parallele Errichtung einer kommunistischen Diktatur in SBZ / DDR. Mit den biografischen Tafeln werden Personen in Erinnerung gebracht, die beispielhaft für Viele sich in der SBZ und DDR im Zeitraum 1945-1953 für Demokratie und Grundrechte eingesetzt haben. Die Ausstellung zeichnet somit ein facettenreiches Bild des freiheitlichen Widerstands gegen die kommunistische Diktatur.

Die Biografien inspirieren durch Idealismus und Mut angesichts größter Gefahren, zeigen die Brutalität der kommunistischen Diktatur und können uns heute zu demokratischem Engagement inspirieren. Die Schau präsentiert ein vergessenes Kapitel deutscher Demokratie- und Diktaturgeschichte und lädt auch dazu ein, die Grundrechte unseres Grundgesetzes neu zu entdecken.

Ihre Premiere feiert die Ausstellung am 24. April 2024 um 18 Uhr in der Gedenkstätte Lindenstraße. Hier, im früheren Gefängnis Lindenstraße, wurden einige der in der Ausstellung porträtierten Frauen und Männer inhaftiert. Im Rahmen der Ausstellungseröffnung findet ein Zeitzeugengespräch mit Jochen Stern statt. Jochen Stern, geboren am 10. September 1928 in Frankfurt/Oder, wurde 1947 zusammen mit mehr als 40 Personen als politische Gegner vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet. Dieser wirft ihnen vor, eine illegale Gruppe gebildet und gegen die Sowjetunion spioniert und agitiert zu haben. Fast ein Jahr lang verbringt der 19-jährige Neulehrer unter katastrophalen Bedingungen in Untersuchungshaft in Potsdam in der Lindenstraße. Im September 1948 wird er zusammen mit 13 weiteren Angeklagten vor ein Sowjetisches Militärtribunal gestellt und – aufgrund von ihm durch Folter und Schläge erzwungener Aussagen – zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach sechs Jahren Haft im sowjetischen Speziallager Bautzen erfolgte 1954 seine Entlassung in die Bundesrepublik Deutschland, wo er als Schauspieler Karriere machte.
Aufgrund der begrenzten Platzmöglichkeiten ist eine Anmeldung erforderlich unter info[at]gedenkstaette-lindenstrasse.de. (Hinweis: Die Veranstaltung wird fotografisch und filmisch festgehalten.)

Am 25. Juni um 17 Uhr führt einer der Kuratoren, Alexander Frese, durch die Ausstellung. Der Eintritt zur Kuratoren-Führung ist frei. Um Anmeldung wird gebeten unter info[at]gedenkstaette-lindenstrasse.de.

Die Ausstellung wurde konzipiert von der Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Frank-Walter Steinmeier.

In Kooperation mit der Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.