Inhaftiert im Jahr des Volksaufstands am 17. Juni 1953

Foto: Karl-Hans Volke (zweiter von rechts) mit Freunden vor dem Lokal „Deutsches Haus“ in Zossen, 1953, Privatarchiv.

Wir erinnern das Haftschicksal von Karl-Hans Volke
Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 ist ein DDR-weites Ereignis. Frauen und Männer aller Altersklassen protestieren für Freiheit, die Einheit Deutschlands sowie bessere Arbeits- und Lebensbedingungen.
In den drei brandenburgischen Bezirken Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) kommt es in mehr als 150 Ortschaften zu Protesten. Die Staatssicherheit nimmt bis Jahresende allein im Bezirk Potsdam 250 Menschen fest. Ohnehin fällt in das Jahr 1953 eine der repressivsten Phasen der DDR-Geschichte. Denn schon vor dem Volksaufstand nimmt die Staatssicherheit im Bezirk Potsdam rund 200 Menschen in Untersuchungshaft.

Einer von ihnen ist der 17-jährige Karl-Hans Volke aus Zossen. Karl-Hans Volke absolviert 1953 eine Ausbildung zum Elektriker. Im Frühjahr entdeckt er mit Freunden zufällig einen Luftballon mit Flugblättern. Die Flugblätter stammen aus West-Berlin. Ihr Inhalt richtet sich gegen die SED und die DDR. Die Jugendlichen verteilen die Flugblätter heimlich in Zossen. Weil einer der Beteiligten die Aktion verrät, nimmt die Staatssicherheit Volke und einen Freund am 30. April 1953 fest. Der Vorwurf gegenüber den Jugendlichen lautet „Boykotthetze“. Die Staatssicherheit bringt beide in die Untersuchungshaftanstalt in die Potsdamer Lindenstraße.

 

Foto: „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“, die Karl-Hans Volke mit Freunden in Zossen verteilt, 1953, BStU, MfS, BV Potsdam

Volke erinnert sich genau an diesen Tag: „Nachdem uns alle persönlichen Sachen – einschließlich der Schnürsenkel – abgenommen waren, knallte hinter mir die Zellentür scheppernd zu. (…) Das Fenster war mit einer Holzblende versehen, so dass man nur einen ca. 20 Zentimeter breiten Blick auf den Himmel hatte. (…) Die Pritsche war über die ganze Seite der Zelle eingebaut und war ca. 2 Meter lang, ausgestattet mit ein paar Matratzen und pro Mann einer Decke. Am Tage durfte man sich nicht hinlegen, sondern mit den Händen auf den Knien am Pritschenende aufrecht sitzen.“ Die ersten Wochen verbringt Volke in Einzelhaft. Später kommt ein zweiter Häftling hinzu. Zuletzt müssen sie sich die kleine Zelle zu Dritt teilen. Die Verpflegung ist miserabel. Wärter, Schließer und Vernehmer verhalten sich grob. Vom Volksaufstand bekommt Volke in der Untersuchungshaft kaum etwas mit. Aber von seiner Zelle aus hört er Panzer durch die Stadt Potsdam fahren, wegen der einsetzenden Verhaftungswelle herrscht Hochbetrieb im Gefängnis in der Lindenstraße und für wenige Tage bessert sich hier die Versorgung – wohl, um die Inhaftierten ruhig zu stellen.

Im Januar 1954 verurteilt das Kreisgericht Potsdam Volke zu einem Jahr und drei Monaten Haft. Die lange Untersuchungshaft wird angerechnet, der Rest der Strafe wird auf Bewährung ausgesetzt. Zehn Monate nach seiner Festnahme kommt Volke wieder nach Hause. Jedoch lässt ihn die Zeit in der Untersuchungshaft der Potsdamer Staatssicherheit in seinem späteren Leben nicht mehr los. In einem Interview erinnert sich Karl-Hans Volke im November 2020: „Ich bin gegenüber Allen misstrauisch gewesen. (…) Ich habe keine Hilfe angenommen, weil ich angenommen habe, die kamen von ‚Horch und Guck‘.“

Literatur-Tipps:
Ilko-Sascha Kowalczuk: 17. Juni 1953. Geschichte eines Aufstandes, Bonn 2013.
Burghard Ciesla (Hg.): Freiheit wollen wir! Der 17. Juni 1953 in Brandenburg, Berlin 2003.