»Verbotener Umgang«: Zur Bedeutungsgeschichte eines NS-Straftatbestandes

Die öffentliche Demütigung von Martha Wölkert, Ahrendsee/Altmark, am 16.6.1941; März 1943 – Sept. 1944 Häftling des KZ Ravensbrück. MRG/SBG, Foto 162, Fotograf*in unbekannt.

Fachkonferenz am 15./16. November 2019 in der Gedenkstätte SS-Sonderlager Hinzert

Kooperation mit der Gedenkstätte SS-Sonderlager Hinzert, Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Stiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau Dora sowie dem Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit

Während des Zweiten Weltkriegs waren aus kriegswirtschaftlichen Gründen etwa zehn Millionen so genannter fremdvölkischer Arbeitskräfte – Kriegsgefangene und Zivilarbeiter/innen – im Reichsgebiet eingesetzt. Dies stellte für den nationalsozialistischen Staat eine »rassen«- und sicherheitspolitische Herausforderung dar. Der nationalsozialistischen Programmatik lag das Ziel einer »homogenen Volksgemeinschaft« zugrunde und die antisemitische »Rassen«-Politik der Definition, Kennzeichnung, Ausgrenzung und letztlich Ermordung des jüdischen Teils der deutschen Bevölkerung zielte auf ein »judenfreies Reich«. Mit der Inhaftierung und Deportation einer großen Zahl als »fremdvölkisch« definierter, mit Kriegsverlauf nahezu rechtlos gestellter kriegsgefangener und ziviler Zwangsarbeiter/innen stellte sich das Problem der Homogenität jedoch erneut. Deshalb waren dem sozialen Umgang zwischen Deutschen und den ausländischen Arbeitskräften starke Reglementierungen gesetzt worden; insbesondere sexuelle Kontakte wurden bestraft. Gleichzeitig aber war der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte Teil der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik unter Kriegsbedingungen.

Die Kriminalisierung des sozialen Umgangs von Deutschen und »Fremdvölkischen«, der »verbotene Umgang«, ist also Ausdruck einer rassistischen wie geschlechterspezifischen Ungleichheitsideologie und damit für die Forschung über Definitionen von Zugehörigkeit, gesellschaftliche und politische Ausschlussmechanismen sowie Integrationsprozesse in einer längeren historischen Perspektive von Bedeutung.

Nach der ersten Tagung zur Geschichte und Nachgeschichte des »Umgangsverbots« mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern im Nationalsozialismus im Oktober 2016 in der Gedenkstätte Ravensbrück soll das Thema nun in einer zweiten Fachkonferenz am 15./16. November 2019 in der Gedenkstätte SS-Sonderlager Hinzert vertieft werden. Neben notwendigen biografischen und lokalgeschichtlichen Ansätzen zielt die Tagung auf eine Systematisierung und Erfassung in einer breiteren, sozialhistorischen Perspektive.