Viele kennen Hans und Sophie Scholl, die als Mitglieder der „Weißen Rose“ während des Zweiten Weltkriegs durch die Verbreitung von regimekritischen Flugblättern im München über die Verbrechen der Nationalsozialisten aufklärten und zum Widerstand gegen die NS-Diktatur aufriefen. Nachdem die Initiatoren der „Weißen Rose“ 1943 verhaftet, verurteilt und ermordet wurden, setzten andere ihre oppositionelle Arbeit fort.
Zu den bisher weniger bekannten Unterstützerinnen gehörte Mirjam David, die einzige Frau mit jüdischen Wurzeln in der Widerstandsgruppe. Sie wurde im November 1943 von der Gestapo verhaftet. Nach mehreren Haftstationen, unter anderem im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, traf sie Anfang November 1944 im Potsdamer Landgerichtsgefängnis in der Lindenstraße ein. Einen Monat später verurteilte sie der in Potsdam tagende Volksgerichtshof wegen „Beihilfe zur Vorbereitung von Hochverrat“ zu zwei Jahren Zuchthaus.
Anlässlich des Internationalen Tags des Gedenkens an die Opfer des Holocaust zeichnet die Hamburger Juristin und Publizistin Angela Bottin in einem reich bebilderten Vortrag die Lebens-, Verfolgungs- und Haftgeschichte von Mirjam David nach. Sie zeigt, wie gewaltsam und menschenverachtend sich das Vorgehen des politischen Verfolgungsapparates gegen politische Gegner, Andersdenkende und Oppositionelle gestaltete und welche Rolle Potsdam im Getriebe der politischen NS-Justiz einnahm: Insgesamt wurden hier vor dem NS-Volksgerichtshof Prozesse gegen mehr als 225 Angeklagte geführt, von denen mindestens 55 zum Tode verurteilt wurden. Mirjam David hingegen überlebte Verfolgung und Krieg, hatte aber bis zu ihrem Tod 1975 mit den schweren psychischen und physischen Folgen der Haft zu kämpfen.
Bildunterschrift: Mirjam David, 1947 (© Franziska Rauch, Privatarchiv Angela Bottin)
27.01.2022
18:00 Uhr