Verschollen, vergessen – das jüdische Kinder- und Landschulheim Caputh 1931-1938

Sonderausstellung 27. Januar bis 31. März 2019

»Türen waren aufgebrochen, Fenster ausgehängt. Aus dem Haus flogen Möbel, Kleider und Bettgestelle«, so erinnert sich eine ehemalige Schülerin der Caputher Dorfschule an den brutalen Überfall auf das jüdische Landschulheim am Morgen des 10. November 1938. In der Nacht zuvor wurden in einem Pogrom überall in Deutschland Synagogen angezündet, jüdische Geschäfte geplündert, Juden misshandelt und beraubt. Auch in Potsdam verwüsteten Einheiten der SS und der Gestapo die Synagoge am Wilhelmplatz. Die Kapelle des Jüdischen Friedhofs auf dem Pfingstberg wurde niedergebrannt, jüdische Geschäfte am Alten Markt überfallen. Jüdische Bürger wurden öffentlich gedemütigt, in das Polizeigefängnis Priesterstraße gebracht und von dort in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. In Caputh hetzten ortsansässige SA-Leute, darunter auch Lehrer der Dorfschule, die Kinder auf und stürmten gemeinsam mit ihnen und Bewohnern des Ortes unter der Parole »Es ist so weit, heute jagen wir die Juden raus!« das Landschulheim. Sie vertrieben die jüdischen Kinder und plünderten das Haus.

In einem zweijährigen Medienprojekt am Humboldt-Gymnasium Potsdam erforschten Schülerinnen und Schüler der 12. Klassen gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Hans-Dieter Rutsch die Geschichte des Caputher Kinder- und Landschulheims und die Schicksale der jüdischen Kinder und Lehrer, die dort bis 1938 lebten. Bis heute sind nicht alle Schicksale bekannt. Ihre digitale Spurensuche führte die Humboldt-Schüler bis nach Mexiko und in die USA, aber auch in die Archive der Filmuniversität Babelsberg und der Fachhochschule Potsdam.

Die 28 Ausstellungstafeln präsentieren u. a. auch die Lebensgeschichte der Heimleiterin Gertrud Feiertag, die das Kinder- und Landschulheim 1931 als moderne reformpädagogische Einrichtung gegründet hat. Nach der Zerstörung des Heimes 1938 organisierte sie für jüdische Hilfsorganisationen die Verschickung elternloser jüdischer Kinder ins rettende Ausland und begleitete persönlich Kindertransporte nach England. Dabei hätte sie durchaus Gelegenheit gehabt, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren. Aber Gertrud Feiertag lehnte eine Flucht ab. 1943 wurde sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.



Die Ausstellung »Verschollen, vergessen – das jüdische Kinder- und Landschulheim Caputh 1931-1938« wurde bereits am Humboldt-Gymnasium und in Caputh gezeigt und ist vom 27. Januar bis 31. März 2019 als Sonderausstellung in der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße zu sehen.

Ein Projekt der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft (BBAG) e.V., gefördert durch das Ministerium für Bildung des Landes Brandenburg und das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg sowie die F.C. Flick Stiftung.
 
Sonderausstellung in der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße in Kooperation mit der Fördergemeinschaft »Lindenstraße 54«.