Treffen des interdisziplinären Forschungsverbundes »Landschaften der Verfolgung« in der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße

Universitäten, Gedenkstätten und Aufarbeitungsinitiativen arbeiten eng zusammen, um politische Repression und Haft in der SBZ und DDR zu erforschen

Beim Arbeitstreffen am 25. April in der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße werden grundlegende Fragen der Diktaturforschung diskutiert

Drei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR sind die Ausmaße politischer Verfolgung in Ostdeutschland zwischen 1945 und 1989 noch immer unzureichend erforscht. Es ist unklar, wie viele Menschen aus politischen Gründen inhaftiert, deportiert oder getötet wurden. Über zeitliche, regionale oder soziale Schwerpunkte der Verfolgung gibt es erst recht kaum empirische Daten. Lediglich für eine einzige Haftanstalt in der DDR – das zentrale Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Hohenschönhausen – ist belegt, welche Personen dort wie lange inhaftiert waren.

Ein Zusammenschluss von Universitäten, Gedenkstätten und Aufarbeitungsinitiativen soll diesen unbefriedigenden Zustand nun ändern. Beteiligt sind neben der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße die Humboldt-Universität zu Berlin, die Charité Berlin, die Universität Passau, die Europa-Universität Viadrina, die Gedenkstätte Hohenschönhausen, der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, die Robert-Havemann-Gesellschaft und das Menschenrechtszentrum Cottbus. Gemeinsames Ziel ist es, eine Datenbank mit den Namen und Biografien aller Opfer politischer Verfolgung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und DDR zwischen 1945 bis 1989 zu erstellen, aber auch strukturelle Fragen zu beantworten.

Das Teilprojekt der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße erforscht die Geschichte der Potsdamer Untersuchungshaftanstalt zwischen 1945 und 1989. Nach Kriegsende nutzte die sowjetische Geheimpolizei das Haus als zentrales Untersuchungsgefängnis für das Land Brandenburg. 1952 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit der DDR das Gefängnis. Bis zu seiner Schließung im Herbst 1989 waren überwiegend politische Untersuchungshäftlinge in der Lindenstraße inhaftiert.

»In diesem Jahr feiern wir 30 Jahre Friedliche Revolution, aber bis heute liegen nur grobe Schätzungen über die Zahl der politisch Verfolgten in Ostdeutschland vor. Für das Gefängnis Lindenstraße interessiert uns insbesondere, wer die politisch Inhaftierten waren und wie sie nach der Haft weitergelebt haben. Die Arbeit in den Archiven, aber auch der Austausch mit den Zeitzeugen werden eine große Rolle für das Forschungsvorhaben spielen. Nicht zuletzt wollen wir auch systematische Fragen beispielsweise nach Veränderungen der Unterdrückungsmethoden beantworten«, so Uta Gerlant, Leiterin der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße.

Sebastian Stude, wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Verbundprojekt in der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße, ergänzt: »Die Biographien der hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter sowie das Zusammenwirken von regionaler SED-Führung, Verwaltung und Justiz mit der SED- Geheimpolizei im Bezirk Potsdam sind bisher kaum untersucht. Der Forschungsverbund bietet die Chance, diesem Umstand mittels überregional vernetzter und interdisziplinär ausgerichteter Forschung Abhilfe zu leisten.«

Prof. Dr. Jörg Baberowski, Sprecher des Forschungsverbundes von der Humboldt-Universität zu Berlin, hebt hervor: »Im Forschungsverbund arbeiten acht Institutionen zusammen. Neben wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen aus den Fachbereichen Geschichte, Politikwissenschaften, Medizin und Jura sind auch mehrere Gedenkstätten und Stiftungen am Verbund beteiligt. Dabei wollen wir auch gesundheitliche Folgen und die juristische Aufarbeitung von Unrecht in den Blick nehmen. In der Vielfalt der Zugänge und Fragestellungen liegt das besondere Potenzial des Forschungsverbunds.«

Das im Januar 2019 gestartete Verbundprojekt »Landschaften der Verfolgung« wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als eines von 14 Projekten gefördert, die sich mit der Geschichte der DDR auseinandersetzen. Neben der stärkeren Verankerung der DDR-Forschung an den Hochschulen zielt das Forschungsvorhaben insbesondere auf eine engere Vernetzung von Forschung und Lehre zwischen Universitäten und Gedenkstätten.

Weitere Informationen unter: https://landschaften-verfolgung.de