Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße erforscht die sowjetische Nutzungsphase und arbeitet an digitalem Haftbuch für diese Zeit (Mai 2023 – Dezember 2024)
Mit dem im Mai 2023 gestarteten Projekt „Haftbuch des Gerichts- und Haftortes Lindenstraße 54/55. Eine Dokumentation der Schicksale inhaftierter Personen des sowjetischen Geheimdienstes (NKWD/MGB) für den Zeitraum von 1945 bis 1950“ beginnt ein neuer und tiefgehender Abschnitt der historischen Forschungsarbeit und Schicksalsklärung der Gedenkstätte Lindenstraße. Der sowjetische Geheimdienst (NKDW/MGB) nutzte den Ort als zentrales Untersuchungsgefängnis für das Land Brandenburg, bis es im August 1952 dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS), Bezirksverwaltung Potsdam, übergeben wurde. Für den Zeitraum der Nutzung durch die sowjetische Geheimpolizei sind weder zentrale Registraturunterlagen noch einstige sowjetische Geheimdienstunterlagen für die deutsche Forschung zugänglich. Die Informationen müssen daher aus unterschiedlichen Quellen in- und ausländischer Herkunft zusammengetragen werden.
Im historischen Gerichtssaal im Vorderhaus des Gebäudekomplexes fanden zudem Verhandlungen Sowjetischer Militärtribunale (SMT) gegen Inhaftierte des Gefängnisses Lindenstraße statt. Diese Verhandlungen entbehrten jeglichen rechtsstaatlichen Verfahrens. Die Urteile hatten unverhältnismäßig lange Haftstrafen oder den Tod zur Folge.
Mit diesem Dokumentationsprojekt soll eine möglichst vollständige Erfassung aller zwischen Juli 1945 und Januar 1950 für den Haftort in der Potsdamer Lindenstraße zu ermittelnden Männern, Frauen und Jugendlicher unterschiedlicher Nationalität erreicht werden. Zentral ist dabei auch die Ermittlung von Todesurteilen. Diese Personendatenbank dient dann als Grundlage für ein öffentlich zugängliches digitales Haftbuch, das den Zeitraum erfassen wird. Das Haftbuch wird Ende 2024 der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Maria Schultz, Gedenkstättenleiterin: „Uns ist wichtig, mit dem Haftbuch dauerhaft einen wichtigen Beitrag für das Gedenken an die Opfer stalinistischer Gewaltherrschaft und Verfolgung in der SBZ/DDR im Allgemeinen und in Potsdam im Besonderen zu ermöglichen. Aber auch nach dem Anteil der NS-Täter unter den Inhaftierten wird zu fragen sein. Ich freue mich über die große Unterstützung des Projekts und danke allen Mittelgebern und Kooperationspartnern.“
Das Projekt wird gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur und der Fördergemeinschaft „Lindenstraße 54“.